In Zeiten von Twitter und Facebook ist das “Posten” von Informationen an eine möglichst hohe Anzahl von potentiellen Lesern zum Volkssport geworden. Das Mitteilungsbedürfnis der User ist durch die sozialen Netzwerke enorm gestiegen. Durch sie ist es nämlich ermöglicht worden, dass eine Person mit nur einem Tweet gleich eine Vielzahl von vernetzten Personen erreichen kann. Vor einiger Zeit musste man sich dafür mit jeder dieser Personen treffen oder zumindest zum Telefonhörer greifen, um sich mitteilen zu können.
Bei diesen vielen neuen Kommunikationswegen darf aber auch nicht die gute, herkömmliche E-Mail vergessen werden. Sie ist der Vorreiter des Prinzips von Postings in Netzwerken: durch eine E-Mail werden alle Verteiler und die dem Verteiler Angehörigen benachrichtigt. Selbstverständlich dauert das Anfertigen einer E-Mail ein vielfaches an Zeit gegenüber dem Verfassen eines spontanen Tweets oder Posts, was unter anderem hoffentlich den Vorteil mit sich bringt, dass der Verfasser sich vor dem Absenden der E-Mail noch einmal Gedanken über ihre Intention macht.
Projiziert man dieses Tweeten, Posten oder E-Mailing auf den Arbeitsalltag, gerät man schnell in Gefahr zu vergessen, dass dabei empfindliche Kommunikationswege, ja gar Befehlsketten übergangen werden, sowie Personen informiert werden, die zum Verarbeiten der Information Zeit aufwenden und letztendlich mit der Information jedoch nichts anfangen können, sodass ihre Produktivität sinnlos reduziert wird. In Zeiten, in denen täglich von Effizienz- und Produktivitätssteigerung gesprochen wird, wirken sich solche Kommunikationskanäle – oder besser gesagt: deren Nutzung – auf die Produktivität eines jeden einzelnen aus. Auch ich selbst bin davon nicht befreit und möchte das Problem an einem kurzen Praxisbeispiel erläutern.
Praxisbeispiel:
In einer meiner vielen beruflichen Unterhaltungen wurde ich auf einen Vertriebstipp aufmerksam. Ein größerer Kunde hatte ein sehr hoch budgetiertes Projekt in der Pipeline, für welches noch externe Ressourcen gesucht wurden. Kaum hatte ich diesen Tipp erhalten, habe ich direkt einen Chat eröffnet und an alle Vertriebsmitarbeiter sowie unseren Vertriebsleiter diesen Tipp weitergeleitet.
An dieser Stelle wird man sicherlich denken, dass ich alles richtig gemacht habe – denn schließlich informierte ich sofort alle über diese großartige Möglichkeit! Habe ich aber eben nicht!
Denn im Grunde habe ich zuallererst sämtliche Vertriebsmitarbeiter für einen kurzen Moment in ihrer Arbeit unterbrochen. Jeder von ihnen hat reagiert und sofort Überlegungen angestellt, welche Schritte von ihm nun notwendig sind, um dieses Projekt für sich ans Land zu ziehen. Aber wer von der Abteilung hätte es sich nun wirklich zur Aufgabe machen sollen? Zusätzlicher Abstimmungsbedarf im Vertrieb war von Nöten, um sich darüber zu einigen, welcher Mitarbeiter die Verantwortung dafür übernehmen sollte.
Mit dieser unüberlegten, gut gemeinten Handlung habe ich es geschafft, den Vertrieb für eine kurze Zeit vollständig in Unproduktivität zu stürzen. Des Weiteren habe ich in die Arbeit des Vertriebsleiters eingegriffen, indem er nicht mehr über die Qualität und Relevanz des Tipps entscheiden, aus diesem keinen konkreten Arbeitsauftrag erzeugen und ihn schließlich an die am wenigsten ausgelastete Ressource delegieren konnte.
Ich habe des Weiteren sogar dafür gesorgt, dass der Vertriebsleiter nun aus moralischen Gründen dem Tipp zwangsläufig nachgehen musste – egal, wie wichtig dieser Tipp nun letzten Endes war.
Zusammengefasst kann man sagen: Ich habe mit meinem unüberlegten, zu spontanen Posten unnötig in den Vertriebsablauf eingegriffen und ihn gestört.
Verbesserung?
Die Frage, die sich nun stellt, ist die Frage, wie ich es hätte besser machen können.
Hier möchte ich kurz die Wehrpflicht zum Vergleich heranziehen: Die Bundeswehr ist die wohl beststrukturierteste Organisationseinheit hinsichtlich ihrer Kommunikationswege. Dort wird eine klare Befehlskette eingehalten. Ein Leutnant meldet an seinen direkten übergestellten Oberleutnant usw. Nicht umsonst gibt es auch in einem Unternehmen Entwicklungsleiter, Vertriebsleiter, Produktionsleiter usw. Sie sind die Verantwortlichen für ihr Ressort und zugleich die direkten Ansprechpartner für Mitarbeiter und Vorgesetzte. Mitarbeiter aus anderen Bereichen haben sich an diese Position zu wenden, wenn sie Arbeitsaufträge von diesem Ressort erledigen lassen möchten.
Hätte ich also den Tipp nicht an das gesamte Vertriebsteam gepostet, sondern nur an den Vertriebsleiter, der für die Steuerung im Vertrieb verantwortlich ist, hätte ich zum einen nur seine Arbeit für einen kurzen Moment unterbrochen. Zum anderen hätte er über die Qualität dieses Tipps entscheiden können und einen klaren Arbeitsauftrag formulieren, die Ressourcenauslastung überprüfen und dem am wenigsten ausgelasteten Mitarbeiter den Arbeitsauftrag erteilen können. Es wäre kein zusätzlicher Abstimmungsbedarf nötig gewesen und die Produktivität hätte sich sogar erhöht.
Appell:
Insofern möchte ich an alle Twitter-, Post- und E-Mail-Verteiler appellieren, die vorgegebenen Kommunikationswege einzuhalten und zu überdenken, inwieweit eine Nachricht eventuell mehr schadet, als dass sie nützt. Auch ich gelobe mir in Zukunft Besserung!